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Foto von ArcCan

Sehr geehrter Herr Steib, sehr geehrter Ortsbeirat 4,

wir hatten bereits Ende 2019 bei einer Sitzung des Ortsbeirates 4 uns Anliegen vorgetragen, die Bernhard-Grzimek-Allee umzubenennen und eine kritische Auseinandersetzung mit der Person Bernhard Grzimek in der Stadt als auch im Zoo gefordert. Auf diesem Weg möchten wir der Forderung des Ortsbeirates, Belege für die NSDAP-Mitgliedschaft Bernhard Grzimeks und seiner Gesinnung anzuführen, nachkommen.

In den letzten Jahren rückt der Diskurs über rassistische Strukturen in unserer Gesellschaft immer weiter ins Blickfeld. So sorgte die die BLM-Bewegung und die rassistischen Morde in Hanau für eine breitere Öffentlichkeit zu diesem Thema und erhöhte auch den Druck auf die Aufarbeitung von rassistischen Strukturen in unserer Gesellschaft. Wie in vielen Städten sind rassistische Strukturen auch im Stadtbild Frankfurts sichtbar, u.a. durch Straßennamen.

Wir fragen uns daher, muss ein öffentlicher Platz in Frankfurt noch nach einem Nazifunktionär benannt sein?

Es wurden bereits einige Straßennamen umbenannt, so änderte München 2006 die Von-Trotha-Straße in Hererostraße und 2009/2010 erhielt das Berliner Gröbenufer den Namen der afrodeutschen Aktivistin und Dichterin May Ayim. Diesem Muster folgend, schlagen wir vor, die Straße nach einem Opfer von Völkerschauen umzubenennen. Die Umbenennung wäre ein klares Zeichen, wie mit der Vergangenheit umgegangen werden muss: Hinsehen und aufklären statt wegsehen und verschweigen!

Dies wäre nicht nur ein Schritt in die Aufarbeitung der Nazivergangenheit, sondern auch des kolonialen Erbe Deutschlands, welches auch in Zoos deutlich wird.

Grzimek, der nach dem Kriegsende für den Wiederaufbau des Frankfurter Zoos zuständig war, verheimlichte nach dem Krieg seine vorherige Führungsposition im Reichsernährungsministerium ebenso wie seine langjährige Mitgliedschaft in der NSDAP. Tatsächlich wurde Grzimek jedoch 1933 Mitglied der SA. In seinem Fragebogen der Universität Berlin, welcher von ihm persönlich 1936 unterschrieben wurde, fügt er eigenhändig noch die Angabe „SA, Motorsturm 2/M38, Mitgliedsnummer: 2552“ hinzu. Diese Dokumente sind von Grzimek handschriftlich unterschrieben. Ab 1937 trat er dann der NSDAP bei, Mitgliedsnummer 5 919 786 (Sewig 2009, S.56f.). Von 1938 bis Kriegsende war Grzimek auf der führenden Stelle des Reichsregierungsrats tätig gewesen. Diese Positionen lassen bereits erkennen, dass er nicht bloß aus Zwang der Partei beigetreten ist. Erst nach seinem Tod wurde über seine Nazivergangenheit gesprochen. Grzimek selbst hatte seine Mitgliedschaft immer abgestritten.

Neben seinen Positionen als Funktionär sind auch seine Filme und Bücher von Klischees und postkolonial rassistischen Begrifflichkeiten durchzogen. So spricht er in „Kein Platz für Wilde Tiere“ 1954 von den „Gelben“ (S.6), benutzt immer wieder das N-Wort zur Beschreibung Schwarzer Menschen und auch sonst wird sein Blick auf nicht-weiße Personen sehr eindrücklich dargestellt. Er stellt sie als unzivilisiert und dumm dar, die einem Aberglauben folgen würden und weniger wert seien als weiße Menschen. Hier wird das dualistische Narrativ deutlich, in dem nicht-weiße Personen als rückschrittlich und weniger intelligent dargestellt werden, um weiße Menschen hervorzuheben, die diese Eigenschaften erfüllen würden (S.37, S.99, S.123, S.211, S.259). Seine Vorstellung einer weißen Vormachtstellung wird darüber hinaus deutlich, indem er sie als Retter und Geldgeber in seinem Buch benennt. Den Umstand, dass der Kongo bei seinem Besuch noch eine Kolonie war, kritisiert er nicht. Im Gegenteil spricht er davon, dass „es doch Freude [mache], hier in den Kolonien zu arbeiten!“ (S.97). Dieser Eindruck verfestigt sich, wenn er von „Menschenrassen“ spricht und Liliputaner als „mißgestaltete klein gebliebene Menschen“ beschreibt (S. 211). Die Pygmäen bezeichnet er hingegen als „Urwaldzwerge“ und bemerkt, dass sie nun „in der Nähe der Straßen hausen dürfen“ (S.223).Ebenso macht er in seiner Hierarchie die Abgrenzung der Menschen zu Tieren deutlich, die jedoch seiner Einschätzung nach je nach „Menschenrasse“ variiert: „Und schließlich sind ja Menschen, mögen Sie auch noch so sehr im Urzustand leben, Tiere und Menschenaffen geistig überlegen.“ (S.225) Darüber hinaus spricht er von „Mischlingen“, „reinblütigen“ Menschen (S.227) und „unzivilisierten Wilden“, denen er sich überlegen vorkommt (S.259). Er zitiert zudem auch unkritisiert G. Schweinfurth, u.a. mit diesen Zitaten: „Alle Türken sollen umkommen, keiner soll mehr aus dem Lande hinaus, sie sollen nie wieder kommen, in den Kochtopf mit den Türken! Fleisch! Fleisch!“ auf Seite 136.

Während man hier vielleicht noch argumentieren könnte, dass es 1954 noch keine gesellschaftliche Sensibilität zu dem Thema gab, so schreibt er 1974 in seinem Buch „Auf den Mensch gekommen – Erfahrungen mit Leuten“, dass er „Leni Riefenstahl gegenüber der Ansicht [sei], daß es richtig ist, Menschen, die mit einiger Wahrscheinlichkeit Krankheiten und Mißbildungen vererben, unfruchtbar zu machen“ (S.150), was seine menschenverachtende Einstellung kenntlich macht. Er führt weiter aus, dass „der östliche Mensch eben ein Untermensch war“ (S.163), was sein hierarchisches Denken in „Menschenrassen“ erneut unterstreicht. Durch seine Aussage auf S.173 zeigt sich auch nochmal, dass er der NSDAP nicht aus Angst oder gesellschaftlichem Druck beitrat:

„Natürlich kann man diese Ostvölker in ein, zwei Jahrhunderten zu Deutschen machen, wahrscheinlich sogar zu begeisterten Nationalisten. Das wäre vielleicht unter Bismarck und den Kaisern möglich gewesen – entspricht aber doch gar nicht der Lehre der Nationalsozialisten, denn blutsmäßig bleiben sie Slawen.“

Auf S. 235 lässt er auch anklingen, dass die deutschen Kinder sich „wohlgesittet“ benommen haben, bis die Amerikaner nach Deutschland kamen. Was durchscheinen lässt, wie Grzimek zur nationalsozialistischen Ideologie stand. Er schien dem Vorgehen Hitlers nicht durch und durch zuzustimmen, so half er auch einigen ihm bekannten jüdischen Menschen während der NS-Zeit. Seine Texte lassen aber durchscheinen, dass er vielem in den Grundzügen zustimmte. Ebenfalls nahm er Professor Lutz Heck bei sich Zuhause auf, der aus Berlin flüchtete: „Ich habe Professor Lutz Heck niemals übel genommen, daß er gute Verbindungen zu Herrmann Göring und anderen Parteigrößen gehabt hat. Schließlich hat er auf diese Weise die Erweiterung des Berliner Zoos in den Tiergarten hinein erreicht.“ (S.219). Zwar sprach er sich auch öffentlich gegen Hitler aus, jedoch diente dies wohl eher zur Vertuschung seiner Vergangenheit, die er nach dem Krieg immer wieder bestritt und hierzu falsche Aussagen tätigte (Sewig 2009: 58).

Alles in allem lässt sich vermuten, dass er dem Vorgehen der NS-Regierung nicht bedingungslos zustimmte und sich für die Verbesserung einiger Menschen eingesetzt hat. Nichtsdestotrotz war er selbst auch ein Funktionär der Partei, der die Ideologie nicht vollständig ablehnte und auch noch in den 70er Jahren Hierarchien zwischen vermeintlichen Menschenrassen befürwortete, denn „man sollte verhindern, daß erblich belastete und benachteiligte Kinder immer wieder von neuem gezeugt und dann weitgehend auf Kosten der Allgemeinheit aufgezogen werden“ (Gzrimek 1974: 151). Er war ein Opportunist, der sich zugunsten seiner eigenen Interessen dem jeweiligen politischen System unterordnete und für sich nutzte, sowohl im Dritten Reich als auch nach Kriegsende. Gzrimek war jemand, der sich für eine Hierarchisierung und Zwangssterilisation von Menschen aussprach.

Dies sollte Grund genug sein, die Straße umzubenennen. Es ist Zeit, die Geschichte aufzuarbeiten. Die Black-Lives-Matter-Bewegung, der rassistische Anschlag in Hanau und rechte Netzwerke in der hessischen Polizei haben einmal mehr die Dringlichkeit dieser Aufarbeitung sichtbar gemacht. Wir müssen aus der Vergangenheit lernen, alte vermeintliche Helden hinterfragen, um rassistische Morde wie in Hanau zu verhindern. Und daher ist es aus unserer Sicht nicht tragbar, dass ein öffentlicher Platz mitten in Frankfurt diesem Mann benannt ist.

Unser Vorschlag besteht darin, die Bernhard-Grzimek-Allee nach einem Opfer der Völkerschauen umzubenennen, die im Frankfurter Zoo stattgefunden haben. Zwischen 1878 und 1931 fanden dort 27 Völkerschauen statt, in denen BiPoCs (Black, indigenous and People of Color) im Zoo zur Schau gestellt wurden und Aufführungen zeigen mussten, um die deutsche Bevölkerung zu unterhalten und zu belustigen. Obwohl der Frankfurter Zoo als Institution hiermit eine große Verantwortung für die Ausbeutung und den Tod vieler Menschen, sowie das Bilden rassistischer Stereotype in der Bevölkerung trägt, blieb eine angemessene Aufarbeitung bisher aus. Lediglich eine Distanzierungserklärung ist seit einigen Monaten auf der Website des Frankfurter Zoos zu finden. Vor der Veröffentlichung dieser Erklärung, wurden dort Völkerschauen jedoch als unkritisch dargestellt.

Eine Umbenennung der Bernhard-Grzimek-Allee nach einem Opfer der Völkerschauen ist in unseren Augen ein wichtiger erster Schritt zu einer angemessenen Aufarbeitung der Völkerschauen, die in Frankfurt stattgefunden haben.

Mit freundlichen Grüßen,
Aktiv gegen Speziesismus

 

Weitere Informationen zu den Völkerschauen im Frankfurter Zoo finden Sie unter:
https://www.agespe.org/voelkerschauen-im-frankfurter-zoo/

Quellen:

Bernhard Gzrimek (1954): Kein Platz für Wilde Tiere. Kindlerverlag
Bernhard Gzrimek (1974): Auf den Mensch gekommen -Erfahrungen mit Leuten. Bertelsmannverlag
Claudia Sewig (2009): Bernhard Gzrimek- Der Mann, der die Tiere liebte. Bastei Lübbe
http://web.archive.org/web/20161027034954/https://www.zoo-frankfurt.de/unser-zoo/geschichte/sonderveranstaltungen/voelkerschauen/